Im Dialog
Der gebürtige Hamburger hat einen Teil seiner Kindheit in Oldenburg verbracht. Er studierte Jura – mit Schwerpunkt Urheberrecht – und Kunstgeschichte. Jura nutzt Rik Reinking heute als Werkzeug, sein Herz schlägt aber für die Kunst.
Gemeinsam mit seinem Team hat er das WAI-Gelände in den letzten Jahren behutsam wiederhergestellt und zu einem lebendigen Kulturort entwickelt.
IBA Hamburg: Was verbirgt sich hinter dem Namen Woods Art Institute?
Rik Reinking: Zunächst einmal: Es heißt Woods Art Institute – also Wald, nicht Holz. Wir liegen hier am westlichen Rand des Sachsenwaldes, nur wenige Minuten vom Tonteich entfernt, umgeben von einer beeindruckenden Landschaft. Unsere Anlage ist eine Kombination aus historischem Arboretum mit besonderen Baumarten wie Goldulmen oder Silberlinden und einem Skulpturenpark mit rund 100 zeitgenössischen Werken. Wir verstehen uns als Campus: mit Werkstätten für Keramik und Radierung, einer Malschule für Kinder und Erwachsene, zwölf Ateliers, einem Boardinghaus, einem saisonalen Café, Seminarräumen und natürlich unserem von Asmus Werner erbauten Ausstellungshaus mit jährlich wechselnden Präsentationen der Sammlung Reinking auf 2.500 Quadratmetern.

IBA Hamburg: Wie ist dieser Ort entstanden?
Rik Reinking: Das Woods Art Institute hat eine lange und vielfältige Geschichte, die bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückreicht. Ursprünglich befand sich auf dem Gelände ein repräsentativer Landsitz. Im Jahr 1914 ließ der belgische Kaufmann Georges Fester hier eine prächtige Villa als Sommersitz errichten, die den Namen „Villa Weltevreden“ erhielt. Zeitgleich beauftragte er den renommierten Landschaftsarchitekten Rudolph Jürgens, einen rund zehn Hektar großen Park im Stil eines englischen Landschaftsgartens anzulegen. Mit seinem alten Baumbestand, einem Arboretum und kunstvoll gestalteten Gartenbereichen bildete dieser Park den idealen Rahmen für das herrschaftliche Anwesen.
In den folgenden Jahrzehnten erlebte das Gelände verschiedene Nutzungen und bauliche Veränderungen. Neben der ursprünglichen Villa entstanden 1921 weitere reetgedeckte Fachwerkhäuser sowie ein funktionales Gebäude aus den 1940er Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden hier sogenannte Wolfskinder untergebracht, später entstand dann daraus ein Internat mit Schwerpunkt Sprachheilung, dass das Areal über viele Jahre prägte. Trotz dieser Veränderungen blieb der historische Charakter des Parks erhalten und schuf eine besondere Atmosphäre, in der Natur und Architektur miteinander verschmolzen. Wir haben dann das Gelände 2017 übernommen. Drei Jahre lang wurde zunächst der Park wiederhergestellt: alte Sichtachsen freigelegt, Baumgruppen definiert, der ursprüngliche Geist des Jürgens-Parks herausgearbeitet. Heute verbindet sich die historische Natur mit zeitgenössischer Kunst und Architektur.

Wenn wir gleich von Beginn an Kunst mitdenken – sei es bei der Gestaltung von Plätzen oder Gebäuden – entsteht Identität.

IBA Hamburg: Und wie kamen Sie persönlich dazu, so ein Projekt umzusetzen?
Rik Reinking: Ich habe mit 16 angefangen zu sammeln. Mich hat nie nur das einzelne Werk interessiert, sondern der Dialog zwischen den Werken. Über die Jahre wuchs daraus eine große, offene Sammlung – generationen- und kulturkreisübergreifend.
Mein beruflicher Hintergrund ist der Kunsthandel und ich arbeite als Kurator und Berater für Sammlungen. Das Woods Art Institute ist allerdings meine private Leidenschaft. Es ist für mich ein Ort, an dem sich Kunst, Natur und Architektur verbinden – und an dem Menschen zur Ruhe kommen können.
IBA Hamburg: Sie öffnen das Gelände nur am Wochenende und an Feiertagen für Besucher:innen. Wie erleben diese den Ort?
Rik Reinking: Viele berichten, dass sie schon beim Betreten eine besondere Ruhe spüren. Ein Handwerker, der hier arbeitet, sagt immer: „Wenn ich durchs große schwarze Tor fahre, bleiben meine Alltagssorgen draußen.“ Einige Besucher sind von der Kombination aus Natur und Kunst tief berührt. Wir wollen genau das ermöglichen: einen Moment der Kontemplation, ein Innehalten, fernab der Hektik des Alltags.
IBA Hamburg: In Oberbillwerder entsteht gerade ein komplett neuer Stadtteil. Welche Rolle sollte Kunst dort spielen?
Rik Reinking: Eine ganz zentrale! Kunst im öffentlichen Raum ist essenziell, weil sie Menschen ohne Zwang erreicht und Teil des Alltags wird. Andere Länder, etwa in Skandinavien, machen uns das vor. Wenn wir gleich von Beginn an Kunst mitdenken – sei es bei der Gestaltung von Plätzen oder Gebäuden – entsteht Identität. Stellen Sie sich vor, man wartet an einer Bushaltestelle, und neben einem steht eine Skulptur, die jeden Tag da ist. Über Jahre wird sie Teil des Lebens der Menschen, ohne dass ein pädagogischer Zeigefinger erhoben wird. Das kostet im Vergleich zum gesamten Bauvolumen wenig, hat aber eine enorme Wirkung für die Gesellschaft und die kulturelle Identität eines Stadtteils.

IBA Hamburg: Was liegt Ihnen an diesem Ort ganz besonders am Herzen?
Rik Reinking: Meine Sammlung ist über Jahrzehnte gewachsen. Für mich bedeutet Sammeln nicht nur Besitzen, sondern vielmehr Verantwortung: Die Werke sollen erhalten und sichtbar gemacht werden, denn Kunst entfaltet ihren Zauber erst in der Begegnung mit den Menschen. Das Woods Art Institute ist unsere private Leidenschaft – und wir möchten diesen besonderen Ort stetig weiterentwickeln und offenhalten, damit Kunst für alle erlebbar bleibt.
