Im Dialog
IBA Hamburg: Wie kam es dazu, dass du deine eigene Brauerei gegründet hast?
Christian Temme: Nach meinem Chemiestudium habe ich viele Jahre in der Industrie gearbeitet, bis ich 2016 spontan mit dem Hobbybrauen angefangen habe. Was als kleine Leidenschaft im Freundeskreis begann – mit selbstgebrauten Bieren und privaten Tastings – ist Schritt für Schritt größer geworden. Gemeinsam mit meiner Frau habe ich Foodpairings (geschmackliche Lebensmittelkombination) organisiert, befreundete Brauer eingeladen und so Stück für Stück die Hamburger Bierszene kennengelernt. Am Anfang war das reines Hobby. Doch irgendwann war der Wunsch da, die eigenen Biere auch professionell anzubieten. 2023 habe ich dann zusammen mit meinen beiden Mitgründern Marek und Patrick die Brauerei Bill Brew gegründet. Ein glücklicher Zufall führte uns an den Billdeich: Über eine Anzeige stießen wir auf die leerstehende Schlachterei Stöck. Die Räume waren gefliest und damit bestens geeignet für Lebensmittelproduktion. Innerhalb von nur drei Monaten haben wir eine GmbH gegründet, einen Mietvertrag unterschrieben, die Anlage eingebaut und die Genehmigungen erhalten..

IBA Hamburg: Was für eine Geschichte haben denn die Marke und der Standort?
Christian Temme: Die ursprüngliche Bill-Brauerei AG wurde 1892 in Rothenburgsort gegründet, direkt an der Bille. Sie war riesig und in Hamburg sehr bekannt, mit beliebten Bieren wie Export oder Bock. Besonders die Marke Moravia hatte einen tollen Ruf und wurde sogar überregional geschätzt. In den 60ern begann die große Konsolidierung: 1968 stieg die Holsten ein, 1975 übernahmen sie die Brauerei komplett und machten sie dann dicht. Die Gebäude verschwanden – und mit ihnen die Marke Bill. Geblieben ist noch Moravia als Fassbier in wenigen Hamburger Kneipen. Um die Erinnerung an die alte Zeit wachzuhalten, sammeln wir alte Gläser, Flaschen und Bierdeckel. Die kann man bei uns im Verkaufsraum bestaunen
IBA Hamburg: Was macht das heutige Bill Brew besonders?
Christian Temme: Wir haben uns von Anfang an auf untergärige Biere konzentriert – also Pils, Helles, Wiener Lager oder Märzen. Unser Ziel ist es, Biere zu brauen, die süffig sind und Lust machen, ein zweites oder drittes Glas zu trinken. Wir nennen das gerne ‚Biere mit wenig Trinkwiderstand‘. Außerdem sind wir die einzige Brauerei in Hamburg, die auf die 0,5-Liter-Flasche setzt – inspiriert von der fränkischen Biertradition. Während die meisten Craft-Biere in 0,33-Liter-Flaschen abgefüllt werden, wollten wir uns bewusst abheben und dieses klassische Format wieder aufleben lassen.

IBA Hamburg: Wie läuft es aktuell bei euch?
Christian Temme: Sehr dynamisch! Unsere ersten Biere waren sofort ausverkauft. Mittlerweile haben wir einen regelmäßigen Werksverkauf jeden Samstag von 11 bis 13 Uhr, der sehr gut angenommen wird. Dank der Unterstützung der Stiftung Billwerder konnten wir eine größere Brauanlage anschaffen und unsere Kapazitäten verdoppeln. Außerdem haben wir einen Brauer auf Wanderschaft kennengelernt, der bei uns eingestiegen ist. Er bringt nicht nur viel Erfahrung mit, sondern entwickelt auch saisonale Biere, die bei unseren Kunden hervorragend ankommen. Unsere drei Stammsorten – Wiener Lager, Kellerbier und Helles Landbier – gibt es inzwischen dauerhaft, auch wenn sie manchmal sehr schnell vergriffen sind.
IBA Hamburg: Wie empfindest du die Nachbarschaft am Billdeich?
Christian Temme: Sehr positiv! Schon vor Weihnachten 2023 haben wir Flyer verteilt, und viele Nachbarn sind neugierig vorbeigekommen. Der Dorfverein hat sein Fest mit unserem Bier gefeiert – ursprünglich waren 40 Liter eingeplant, am Ende wurden mehr als 100 Liter getrunken. Solche Momente zeigen uns, wie groß die Unterstützung in der Region ist. Auch die Zusammenarbeit mit den Betrieben vor Ort funktioniert super. Wenn mal ein Gabelstapler gebraucht wird oder wir Hilfe bei Lieferungen benötigen, ist schnell jemand zur Stelle.
IBA Hamburg: Und was bedeutet die Entwicklung von Oberbillwerder für euch?
Christian Temme: Wir sehen Oberbillwerder mit gemischten Gefühlen. Natürlich bringt ein neues Quartier auch Chancen – neue Nachbarn, Gastronomie, vielleicht zusätzliche Kundschaft. Gleichzeitig fürchten wir, dass der dörfliche Charakter von Billwerder und kleine Betriebe wie unserer unter Druck geraten könnten. Uns ist wichtig, dass Billwerder als gewachsene Kulturlandschaft und lokaler Standort erhalten bleibt.
